Wenn hinter der Fehlsichtigkeit ein Tumor steckt

In der Orbita (Augenhöhle) können auf kleinstem Raum eine Vielzahl von Tumoren und entzündlichen Erkrankungen auftreten. Je nach Lebensalter trifft man bei jungen Patienten eher Optikusgliome und Rhabdomyosarkome an, im jungen Erwachsenenalter Osteome, Mukozelen und andere Entzündungen, im mittleren Alter Kavernome und Meningeome und schließlich in höherem Alter auch bösartige Erkrankungen wie Karzinome und Lymphome.

Neben einer Protrusio bulbi, einem herausstehenden Auge, kommt es auch zu Sehstörungen  und Gesichtsfelddefekten, teils verbunden mit Doppelbildern. Schmerzen und Tränenfluss sind nur bei einem Viertel der Patienten vorhanden. Je nach Art, Größe und Lage des Tumors zum Sehnerv kommen unterschiedliche Zugänge zur Anwendung. Zahlreiche extrakranielle Zugänge geringer Invasivität und klassische Kopfzugänge können hier in der Neurochirurgie aus einer Hand angeboten werden.

Der supraorbitale Zugang führt zu Tumoren oberhalb des Sehnervs. Der Hautschnitt kann in oder unterhalb der Augenbraue sowie im Oberlid geführt werden. Ein Teil der Orbitaspange wird entfernt, damit das Gehirn oben und der Sehnerv unten nicht gedrückt werden. Die Spange wird nach der Tumorentfernung mit Mikroplättchen wieder eingesetzt und fest fixiert. Besonders geeignet ist dieser Zugang z. B. für Kavernome, wie auf dem MRT dargestellt.

Der laterale Zugang (laterale Orbitotomie) führt zu Tumoren seitlich des Sehnervs. Der Hautschnitt beginnt in der Augenbraue und führt zum seitlichen Augenwinkel, bzw. kann bei kleineren Prozessen auch nur im seitlichen Augenwinkel (Kanthus) liegen. Operiert werden darüber z.B. Tumoren der Tränendrüse, tief gelegene Kavernome oder  Optikusscheidenmeningeome, die exophytisch, also aus dem Sehnerv herauswachsen (siehe MRT). Sofern Oktikusgliome den Sehnervenkanal noch nicht erreicht haben, können diese auch über diesen Weg hinter dem Augapfel (Bulbus) bis in den Augentrichter (Apex) hinein entfernt werden. Dadurch kommt das Auge wieder nach hinten in eine normale Position zurück.

Jährlich führt die Klinik für Neurochirurgie Schädelbasiskurse durch.

Der transkonjunktivale Zugang kann medial oder unten über ein Konjunktivalläppchen gemacht werden und hinterlässt keine sichtbaren Narben. Er führt zu Tumoren, die innerhalb des Muskeltrichters (intrakonal) liegen und eignet sich für größere Kavernome unterhalb des Sehnervs oder wie hier im MRT Bild gezeigt für ein Neurinom.

Der transsphenoidale Zugang über die Nase und Keilbeinhöhle führt zur Schädelbasis, in der Mitte zum Sellaboden mit der darüber gelegenen Hypophyse und hinten zum Clivus. Besonders geeignet ist er für Hypophysenadenome (siehe MRT Bild) und Clivuschordome im frühen Stadium. Dieser Zugang wird hier sowohl mikroskopisch als auch endoskopisch durchgeführt. Hypophysentumore verlagern die Sehnervenkreuzung nach oben und führen zu bitemporalen Gesichtsfelddefekten und Sehminderung auf beiden Augen. Mit Ausnahme der Prolactinome, die primär medikamentös behandelt werden, wäre der transsphenoidale Zugang der Zugang der ersten Wahl.

Kopfzugänge (transkranielle Zugänge) werden für Prozesse mit Ausdehnung im hinteren Orbitatrichter (Apex), mit Ausdehnung in den Optikuskanal, in die Fissura orbitalis superior (Verbindung zwischen Augenhöhle und Sinus cavernosus) und intraduraler Ausdehnung zum Gehirn hin bevorzugt. Im Schema sehen sie den klassischen frontolateralen oder pterionalen Zugang mit einem Hautschnitt hinter der Haargrenze. Der Knochendeckel wird am Schluss mit Miniplättchen fixiert.

Die sphenoorbitalen Meningeome sind gutartige Tumoren, die den Keilbeinflügel betreffen und im Knochen wachsen. Sie können sich weiter in die Orbita oder den Schläfenlappen des Gehirns ausdehnen und infiltrieren auch die Hirnhaut (Dura). Überwiegend Frauen im mittleren Lebensalter sind davon betroffen. Das Auge steht weiter nach vorne und der Schläfenbereich mit dem Muskel (Temporalismuskel) ist verdickt. Bei einer Sehverschlechterung sollte auch der Sehnervenkanal entdacht werden. Da die Pathologie vom Knochen ausgeht, wird dieser entfernt und die Hirnhaut ersetzt. Im Verlauf kann auch eine Bestrahlung erforderlich sein.

Die fibröse Dysplasie kann ein ähnliches Bild zeigen, nur ohne Dura- und Hirnbeteiligung. Das operative Vorgehen mit Entfernung des Knochens und Dekompression des Sehnervenkanals ist vergleichbar.

Optikusgliome (pilozytische Astrozytome) kommen gehäuft im Kindesalter und im Rahmen einer Neurofibromatose vor. Das Wachstum ist sehr langsam. Bei einem weit vorstehenden Auge mit hochgradiger Sehverschlechterung kann der Tumor hinter dem Augapfel (Bulbus) und bei Wachstum nach intrakraniell vor der Sehnervenkreuzung (Chiasma) abgesetzt werden. Das Auge selbst bleibt dabei erhalten und beweglich.

Meningeome, die intradural an der Schädelbasis im Bereich des Tuberculums wachsen, können die Hypophyse (Hormondrüse) nach unten verlagern und die Sehnerven nach oben. Die vorderen Gehirnarterien (Anteriores) liegen am Oberrand des Tumors. Hier sind beide Sehnerven (II) betroffen sowie die Sehnervenkreuzung (Chiasma). Die A. carotis interna (ACI) grenzt dabei seitlich an. Der Tumor wird ab der Basis abgenabelt, verkleinert und vorsichtig entfernt. Wichtig ist, dass auch die Sehnervenkanäle im Falle eines Einwachsens des Tumors miteröffnet werden. Der Visus kann sich danach auch wieder erholen und ist prognostisch günstig.

Optikusscheidenmeningeome können entlang der Sehnervenscheide in der Orbita (Typ I), durch den Sehnervenkanal (Typ II) und intrakraniell (Typ III) wachsen. Intraorbitale Typ I Tumoren sollten bei Visusverschlechterung zunächst bestrahlt werden. Nur bei exophytischem, aus dem Sehnerv herauswachsendem Teil, kommt eine Operation in Frage (lateraler Zugang, siehe oben). Bei Typ II Tumoren kann eine Dekompression (Entdachung) des Sehnervenkanals den drohenden Visusverlust aufhalten. Nach intrakraniell wachsende Typ III Tumoren werden am besten mit einer intrakraniellen operativen Tumorentfernung, einer Entdachung des Sehnervenkanals (extradural oder intradural) und einer postoperativen Bestrahlung des orbitalen Anteils behandelt.

Kraniopharngeome wachsen wie Hypophysentumore in der Sellaregion, dehnen sich aber auch seitlich und nach hinten aus. Die adamantinösen Prozesse sind zystisch, verkalkt und enthalten Cholesterolkristalle. Die papillären wachsen häufig in den III. Ventrikel (Hirnkammer). Klinisch können Hormonstörungen, Sehstörungen und Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts mit vermehrtem Durst und häufigem Wasserlassen (Diabetes insipidus) auftreten. Bei grossen Tumoren (siehe Bild) kann auch eine Schläfrigkeit und ein Nervenwasseraufstau (Hydrocephalus) vorliegen. Der hier gezeigte Patient konnte komplett operiert werden (MRT links präoperativ, MRT rechts postoperativ). Bei Rezidiven muss auch eine Bestrahlung diskutiert werden.


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