Nach dem Studium kommt für jeden Mediziner und für jede Medizinerin irgendwann der Zeitpunkt, an dem die erste eigenverantwortliche Nachtschicht im Krankenhaus ansteht. So war es auch bei der Assistenzärztin, Dr. Silke Härtner, als sie vor ein paar Wochen die Raphaelsklinik, ein Krankenhaus des Alexianer-Verbunds, betrat. Doch was in dieser Nacht auf die junge Ärztin zukommen sollte, erleben die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen während des gesamten Arbeitslebens nicht.
„Der erste Patient, der als Notfall zu mir in die Notaufnahme kam, war ein junger Mann, der seit sechs Wochen über Übelkeit geklagt hat und an dem Tag während der Arbeit umgekippt ist. Das kann natürlich sehr viele Gründe haben“, erinnert sich die Assistenzärztin. Dass der Patient in letzter Zeit Gewicht verloren und nachts stark geschwitzt hat, deutete auf eine abklärungsbedürftige Erkrankung hin. Routinemäßig untersuchte Härtner den Bauchraum des 20-Jährigen mit dem Ultraschallgerät und entdeckte schließlich in der Leber etwas, was dort nicht hingehört. „Es war nicht nur mein erster Nachtdienst, für den ich alleinverantwortlich war, sondern auch meine erste Ultraschalluntersuchung, die ich allein ohne Supervision durchgeführt habe. Was ich da gesehen habe, war wirklich außergewöhnlich!“, berichtet die junge Medizinerin noch sichtlich beeindruckt.
Nachdem die Untersuchung von Darm und Nieren keine Auffälligkeiten zeigte, fand Dr. Silke Härtner in der Leber einen fast neun Zentimeter großen, flüssigkeitsgefüllten Hohlraum, eine Zyste. „Ich war mir ziemlich sicher, dass hier eine Echinokokkose, ein Befall der Leber mit den Larven des Hundebandwurms, vorliegt“, berichtet die Ärztin. Dieser Befund wurde durch einen Oberarzt vidiert. Menschen sind sogenannte Fehlwirte des Hundebandwurms, eine Infektion erfolgt durch die Aufnahme der Eier und ist in Deutschland extrem selten, nur 50 bis 60 Fälle treten hierzulande pro Jahr auf. Eine Infektion muss dem Robert-Koch-Institut gemeldet werden. „Wir haben den Patienten mit Medikamenten versorgt, die dafür sorgen, dass die Larven absterben. Danach wird die Zyste operativ entfernt und der Patient ist geheilt“, erläutert Härtner. „Diesen ersten Nachtdienst in der Raphaelsklinik werde ich wohl nie vergessen. Ich freue mich, dass wir dem Patienten helfen konnten!“